Fehlsichtigkeit

Fehlsichtigkeiten (Ametropien) wie Kurz- oder Weitsichtigkeit, Hornhaut-Verkrümmung oder Alterssichtigkeit sind weit verbreitet und weitgehend natürlich bedingt – d.h. angeboren, in der Anlage vererbt oder Folge des normalen Alterungsprozesses. Diese Fehlsichtigkeiten gelten nicht als Krankheit und können mit optometrischen Mitteln wie Brillen oder Kontaktlinsen in fast allen Fällen korrigiert werden.

Eine Frage der Lebensqualität

Wann braucht man eine Brille oder Kontaktlinsen? Massstab für das gute Sehen ist das individuelle Wohlbefinden. Ausser im Strassenverkehr und in bestimmten Berufen, wo eine gute visuelle Wahrnehmung lebenswichtig ist, gibt es keine Vorschriften, die von uns ein volles Sehvermögen verlangen. In vielen Fällen ist eine Sehkorrektion jedoch ratsam und ein persönlicher Gewinn. Für Kinder und Heranwachsende ist ein gutes Sehvermögen in jedem Fall eine wichtige Voraussetzung: Damit sich das visuelle System eines Menschen richtig entwickeln kann, müssen seine Augen auch gut sehen können.

3 von 4 nutzen eine Sehhilfe

  1. 53% Brille
  2. 16% Brille und Kontaktlinsen
  3. 2% Nur Kontaktlinsen
  4. 2% Operative Sehkorrektur
  5. 27% Keine Sehhilfe

Fast drei Viertel aller 15-74jährigen in der Schweiz trägt heute eine Brille oder Kontaktlinsen. Obwohl eine wachsende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung eine Sehhilfe trägt, bedeutet dies nicht, dass die Menschen immer schlechter sehen. Vielmehr sind heute die Ansprüche an das gute Sehen gewachsen, sodass mehr Leute vorhandene Fehlsichtigkeiten korrigieren. Zudem trägt der steigende Altersdurchschnitt der Gesellschaft wesentlich zur wachsenden Sehhilfengemeinde bei.

Unterschiede nach Alterklassen

  1. Brille
  2. Brille und Kontaktlinsen
  3. Nur Kontaktlinsen
  4. Operative Sehkorrektur
  5. Keine Sehhilfe

Das Tragen von Brillen und Kontaktlinsen nimmt mit ansteigendem Alter laufend zu. Während bei den 15-24jährigen 45% keine Sehhilfe brauchen, sind es bei den 55-74jährigen nur noch 8%. Neben wachsenden Ansprüchen an gutes Sehen trägt vor allem die zunehmend ältere Gesellschaft zur hohen Sehilfeträger-Dichte bei.

Kurzsichtigkeit (Myopie)

Ein Auge ist kurzsichtig oder myop, wenn sein Fernpunkt nicht im Unendlichen, sondern in begrenztem Abstand vor dem Auge liegt. Meistens ist dies durch eine zu lange Baulänge des Auges bedingt. Beim Blick in die Ferne treffen sich die Lichtstrahlen vor der Netzhaut. In selteneren Fällen liegt ein im Verhältnis zur (korrekten) Baulänge stärkerer Brechwert des Auges vor. Die Länge des Auges ist angeboren und kann sich während der Wachstumsjahre verändern. Kurzsichtigkeit kann vererbt werden und birgt bei sehr hohem Grad auch gesundheitliche Risiken (Netzhautschäden). In seltenen Fällen kann sie auch durch Krankheiten verursacht oder verstärkt werden.

Myopie-Korrektur

Mit einer Minuslinse (in Form von Brillenglas oder Kontaktlinse) kann der Lichteinfall vor dem Auge so gesteuert werden, dass das Gesehene exakt auf der Netzhaut abgebildet wird.
Das Sehvermögen sinkt mit wachsender Myopie exponentiell. Ein Reduktion auf 50% Sehschärfe kann schon bei einer Kurzsichtigkeit von -0,5 Dioptrien gegeben sein.
Im Brillenrezept- bzw. Kontaktlinsenpass wird Kurzsichtigkeit in negativen Dioptrien (dpt) angegeben.

Zunehmende Kurzsichtigkeit

Die Anzahl kurzsichtiger Kinder ist in den letzten Jahren weltweit markant gestiegen. Eine aktuelle Studie aus Taiwan zeigt, dass Stubenhocker, die viel Zeit an elektronischen Geräten verbringen, deutlich häufiger fehlsichtig werden als Kinder, die viel im Freien spielen. Der ständige Nahblick auf Fernseher, Computer und Smartphone sowie das fehlende natürliche Licht sind wesentliche Faktoren für die Ausprägung der Kurzsichtigkeit. Nachwuchs, der pro Woche mehr als 14 Stunden im Freien ist, wird laut amerikanischen Forschern sogar zwei bis drei Mal seltener kurzsichtig als gleichaltrige Stubenhocker. (KGS)

Hornhautverkrümmung (Astigmatismus)

Die Hornhaut leistet den grössten Beitrag zur Brechkraft des Auges. Sie ist beim rechtsichtigen Auge gleichmässig gekrümmt, so dass die Strahlen aus allen Einfallspunkten genau auf die Netzhautgrube fallen. Unregelmässigkeiten in dieser Krümmung bewirken ein verzerrtes Netzhautbild, bei dem ein punktförmiges Objekt strich- oder stabförmig erscheint. Die Hornhaut-Verkrümmung ist meistens angeboren, aber auch Narben nach Hornhaut-Verletzungen können einen Astigmatismus auslösen.

  1. Im Längachsen-Meridian, also senkrecht, wird das Licht in einer bestimmten Krümmung gebrochen. Parallel einfallende Lichtstrahlen fallen an einem Punkt (A) zusammen.
  2. Ist die waagrechte Krümmung im Querachsen Meridian anders, fallen Lichtstrahlen an einer anderen Stelle im Auge zusammen (B).
  3. Ein Punkt, der senkrecht (A) und waagrecht (B) nicht am gleichen Ort liegt, erscheint als Strich bzw. wird als unscharf wahrgenommen.

Astigmatismus-Korrektur

Torische Brillengläser oder Kontaktlinsen mit unterschiedlichen Wölbungsradien können astigmatische Verzerrungen ausgleichen (schematische Darstellung). Je nach Art und Ausrichtung der Krümmungsfehler unterscheidet man verschiedene Formen von Astigmatismus. Da das Auge von Natur her keine perfekte Kugelform hat, „leidet“ jeder Mensch unter einem leichten Astigmatismus, den unser visuelles System jedoch korrigieren bzw. kompensieren kann. In ausgeprägterer Form wirkt ein Astigmatismus jedoch sehbehindernd. Die Korrektur erfolgt durch eine Brille mit speziell geschliffenen Zylindergläsern oder entsprechende Kontaktlinsen. In speziellen Fällen können massgefertigte Kontaktlinsen oder eine Hornhautverpflanzung (Keratoplastik) helfen.
Im Brillenrezept- bzw. Kontaktlinsenpass wird der astigmatische Korrektionswert in Zylinder (cyl.) und Achse (A.) angegeben.

Alterssichtigkeit (Presbyopie)

Die Augenlinse verliert mit zunehmendem Alter ihre Elastizität. Dieser Vorgang setzt schon nach dem ersten Lebensjahrzehnt ein und macht sich in der Regel ab dem 40. bis 50. Altersjahr bemerkbar: Wenn „die Arme zum Zeitungslesen zu kurz“ werden. Je stärker sich die Linse krümmen kann, desto näher liegende Dinge können fokussiert werden. Durch die zunehmende, altersbedingte Versteifung der Linse verschiebt sich der Nahpunkt mit den Jahren vom Auge weg.
Der normale Leseabstand liegt bei etwa bei 40 cm. Daher sind mit ca. 45 Jahren die ersten optischen Hilfsmittel (in der Regel eine Brille), notwendig, um die schwächer werdende Naheinstellungsfähigkeit ausgleichen. Die Presbyopie beeinflusst eine bereits zuvor bestehende Kurz- oder Übersichtigkeit nicht, sondern bedarf immer einer zusätzlichen Korrektur für die Nähe (Nahaddition). Im Allgemeinen wird die schwächste Korrektur gewählt, die ein angenehmes Nahsehen ermöglicht. So wird die verbliebene Akkommodationsfähigkeit der Linse genutzt und der Fernpunkt im grösstmöglichen Abstand vom Auge gehalten. Mit dem Fortschreiten der Alterssichtigkeit etwa bis zum 70. Lebensjahr muss die Korrektur für die Nähe immer weiter erhöht werden.

Binokuläre Fehlsichtigkeiten

Eine gute beidäugige Wahrnehmung ergibt sich einerseits aus dem physiologischen Zusammenspiel der Augen, andererseits aufgrund der visuellen Reize und Signale, welche die Fusion der beiden einäugigen Seheindrücke zu einem einheitlichen Bild mitsteuern. Da solche Reize in der Umwelt stets vorhanden sind, ist unser visuelles System auch bei leichten Fehlstellungen (wie z.B. latentem Schielen) oder unterschiedlicher Sehschärfe der Augen in der Lage, ein gutes, kombiniertes Abbild unserer Umgebung zu liefern. Im Idealfall sind beide Augen in der Ruhestellung exakt parallel ausgerichtet.

← Mit prismatischen Linsen können stellungsbedingte Sehfehler ausgeglichen werden.

Heterotropie: Sind die Augen trotz Fusionsreizen nicht in der Lage, gemeinsam einen Punkt zu fixieren, liegt ein manifestes Schielen vor. Es wird doppelt gesehen, sofern das Gehirn das Bild eines Auges nicht unterdrückt, um die Irritation zu vermeiden.

Heterophorie/Winkelfehlsichtigkeit: Kann dank Fusionsreizen trotz Fehlstellung mit beiden Augen einfach gesehen werden, spricht man von latentem Schielen. Um Doppelbilder zu vermeiden, muss das visuelle System stets korrigierend eingreifen. Dies kann auf die Dauer ermüdend wirken. Liegt ein seitlicher Bildlagefehler vor, kann dies zu erheblichen Sehbeschwerden, Leseproblemen und Kopfschmerzen führen. In solchen Fällen kann die Abweichung mit einem geeigneten Testgerät bestimmt und mit prismatischen Brillengläsern korrigiert werden.

Anisometropie: Nicht immer sind beide Augen von einer Fehlsichtigkeit gleich betroffen. Ein Auge kann z.B. etwas stärker kurzsichtig sein als das andere oder eine stärkere Hornhautverkrümmung aufweisen. Im Extremfall ist ein Auge übersichtig, das andere kurzsichtig.

Aniseikonie: Werden Grössen und Formen von den Augen unterschiedlich wahrgenommen, spricht man Aniseikonie. Diese kann sowohl anatomisch (retinale Aniseikonie) als auch nervlich (funktionale Aniseikonie) oder optisch bedingt sein (z.B. zwei rechtsichtige Augen unterschiedlicher Baulänge).

Nachtmyopie / Nachtblindheit

Ohne Licht kein Sehen. Damit wir auch bei Nacht, d.h. Mond- und Sternenlicht etwas sehen können, ist das Auge mit besonders lichtempfindlichen Stäbchen-Sehzellen ausgerüstet. Sehschwierigkeiten bei Dämmerung und Dunkelheit können sich ergeben, wenn diese Umstellung auf das nächtliche Stäbchensehen gestört ist, was die Anpassung (Adaptation) der Augen an die Dunkelheit behindert. Sind diese Stäbchen-Sehzellen geschädigt bzw. grössteils nicht funktionstüchtig, spricht man von einer Nachtblindheit. Dieses medizinische Problem lässt sich mit optischen Mitteln nicht korrigieren oder kompensieren.

Farbsinn-Störungen

Die häufigsten Farbsinnstörungen sind angeboren und werden geschlechtsgebunden vererbt. Männer sind markant mehr betroffen als Frauen. Am häufigsten tritt eine Grünschwäche auf (50% der Fälle), gefolgt von Grünblindheit (25%), Rotblindheit (15%) und Rotschwäche (10%). Störungen im Blaubereich sind sehr selten, ebenso eine totale Farbenblindheit.
Neben angeborenen gibt es auch erworbene Farbsinnstörungen, die sich durch veränderte Farbwahrnehmungen bemerkbar machen und im Gegensatz zu angeborenen Farbsinn-Störungen auch auf nur einem Auge auftreten können. Dies kann bei verschiedenen Erkrankungen der Netzhaut oder des Sehnervs vorkommen. Auch bestimmte Vergiftungs-Erscheinungen und Medikamente können ein verändertes Farbsehen verursachen.

Low Vision

„Low Vision“ beschreibt eine Einschränkung des Sehens, die sich weder durch eine Brille noch durch Kontaktlinsen korrigieren lässt. Eine solche Sehverminderung kann verschiedene Ursachen haben und sich unterschiedlich auswirken.
In unserer stark visuell ausgerichteten Welt ist der Alltag mit einem eingeschränkten Sehvermögen schwierig. Man ist verunsichert in der Orientierung und eingeschränkt in der Mobilität als Fussgänger/in. Man hat Mühe beim Lesen von Zeitung, Fahrplan, Preisschildern oder Kontoauszügen; Handarbeiten sind erschwert. Körperpflege, Haushaltarbeiten, Dinge suchen und finden, etc., werden immer schwieriger oder sind gar unmöglich. Mit schwindender Selbständigkeit, Sicherheit und Mobilität ist man zunehmend auf Hilfe angewiesen.
Auch wenn die Ursachen dieser Sehverminderungen nicht behoben, und deren Auswirkungen nicht ausreichend kompensiert werden können, besteht doch die Möglichkeit, die verbleibende Sehkraft optimal auszunützen.
Eine kompetente Low Vision-Beratung zielt darauf ab, die verbleibende Sehkraft mit allen Möglichkeiten optimal auszunützen. Dabei wird die individuelle Situation der Seheinschränkungen anhand von Tests und Gesprächen abgeklärt. Je nach Alltagsbereichen, in denen eine Verbesserung der Sehrest-Ausnützung gewünscht wird, können entsprechende optische Sehhilfen abgeklärt werden.

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